Afghanistan

Durch Einigkeit Stabilität schaffen

Seit Mai 2005 fördert die deutsche Bundesregierung in einem kleinen Entwicklungsprojekt den Aufbau einer modernen Industrie- und Handelskammer in Afghanistan. Die seit über siebzig Jahren bestehende, bisher staatliche Handelskammer soll reformiert und in eine starke, gesetzlich verankerte Selbstverwaltungsorganisation der Wirtschaft umgewandelt werden, die nach den Bedürfnissen der Unternehmen arbeitet und effektiv ihre vereinten Interessen vertritt. Diese Handelskammer spielt beim zivilen Wiederaufbau des unruhigen Landes eine elementare Rolle. Unternehmer der gegensätzlichen ethnischen, regionalen und sektoralen Interessengruppen üben unter ihrem Dach den friedlichen und fruchtbaren Umgang miteinander, sie diskutieren, und sie einigen sich auf mehrheitliche Entscheidungen. Die Handelskammer bildet so ein Modell für die Entwicklung einer versöhnlichen und stabilen Gesellschaft in Afghanistan.

Wesentliche Meilensteine zu diesem Ziel wurden bereits erreicht. Das Projekt unterstützte die Errichtung eines neuen rechtlichen Rahmens, einer neuen Organisationsstruktur und neuer Entscheidungsgremien für die Handelskammer. Die auf zwei Organisationen verteilten Kräfte der Privatwirtschaft wurden in einer neuen, vereinten Kammer gebündelt. Hauptamtliche Mitarbeiter wurden fachlich qualifiziert, von Unternehmen benötigte Dienstleistungen aufgebaut.

Afghanistans Wirtschaft organisiert sich neu

Im August 2006 trafen über 300 gewählte Repräsentanten der Privatwirtschaft des ganzen Landes eine Grundsatzentscheidung: sie forderten eine vereinte Handelskammer mit freiwilliger Mitgliedschaft und einem liberalen und modernen Kammergesetz. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde ausgearbeitet und 2007 über das zuständige Industrie- und Handelsministerium in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Das Verfahren erfuhr allerdings einen Rückschlag durch den Bombenanschlag von Baghlan, bei dem der Wirtschaftsausschuss des afghanischen Parlaments mehr als die Hälfte seiner Mitglieder verlor. Darunter waren auch der Vorsitzende der Kammer-Reformkommission sowie ein weiterer Schirmherr und Mit-Initiator des Projektes.

Noch im Oktober 2007 vereinbarte die staatliche Handelskammer mit der inzwischen von afghanisch-amerikanischen Geschäftsleuten aufgebauten internationalen Handelskammer die Verschmelzung beider Organisationen in eine vereinte „Afghanistan Chamber of Commerce and Industry“ (ACCI). Die erste gemeinsame Konklave im März 2008 entschied, so bald wie möglich in allen Provinzen Delegierten-Wahlen für eine nationale Vollversammlung der Handelskammer durchzuführen, verabschiedete eine bis dahin gültige Satzung und setzte Übergangs-Präsidium und -Geschäftsführung ein. Mit der räumlichen, finanziellen und personellen Verschmelzung der beiden Vorgängerorganisationen wurde unmittelbar begonnen.

Die afghanische Wirtschaft, Medien und Öffentlichkeit beobachten die Entwicklung der neuen Handelskammer mit großem Interesse. Die Anzahl der freiwilligen Mitglieder ist seit 2006 bereits beträchtlich gestiegen. Bis bei Versammlungen, Wahlen und Entscheidungsprozessen der ehrenamtlichen Gremien allerdings Routine einkehrt, benötigen die afghanischen Unternehmer noch einige Übung und Begleitung. Infrastruktur, Arbeitsausstattung und Ablaufverfahren der Kammer müssen modernisiert, die Verschmelzung der bisherigen Kammern in allen Provinzen umgesetzt und die Provinzkammern in ein Kammer-Netzwerk eingebunden werden. Deutschland und die USA unterstützen gemeinsam die neue Handelskammer bei der Bewältigung dieser wichtigen Aufgaben und tragen damit zum Wiederaufbau einer stabilen Gesellschaft in Afghanistan bei.